Informationen für Eltern, Fachkräfte und Lehrer*innen

Vorgehensweisen der „Loverboys“

1. Phase: Die Anwerbung

  • Die Täter suchen die Betroffenen im öffentlichen Raum (in Cafés, Kinos, Bars, Diskotheken, Schoppingcenter oder Bahnhöfen), in der Schule oder – vor allem seit Pandemiebeginn – im Internet über Social Media Plattformen (Instagram, Snapchat, Facebook) oder in Chats von Computerspielen auf.
  • Vor allem soziale Medien und Chatrooms von Online-Games werden zunehmend von Menschenhändlern genutzt, was diese Methode des Menschenhandels insbesondere für Jugendliche zu einer neuen Bedrohung macht (sogenanntes Cybergrooming).
  • Die Betroffenen werden häufig durch Täter selbst oder durch „Vermittler“ (unwissende oder wissende Mittäter*innen) angesprochen, dies können auch Frauen sein.
  • Die Täter sind meist männlich und im gleichen Alter, können aber um einiges älter als die Betroffenen sein (Alter der ermittelten Täter: 18 – 30 Jahre (vgl. BKA).
  • Betroffen sind insbesondere junge Frauen und Mädchen, oft noch minderjährig. Soziale Herkunft und Geschlecht spielen jedoch für die Täter nicht immer eine Rolle, denn auch männliche Jugendliche oder Personen, die sich divers identifizieren, wurden bereits als Betroffene sexueller Ausbeutung identifiziert (vgl. BKA, S. 23).
  • In einigen Fällen waren männliche Jugendliche ebenfalls in einer emotionalen Abhängigkeit von dem Täter, nur auf freundschaftlicher Ebene. Die „Loverboys“ manipulieren sie als „Vermittler“, um Kontakt zu ihren Opfern herzustellen.
  • Nicht nur Personen aus schwierigen Familienverhältnissen werden Opfer der sogenannten Loverboys. Die Täter suchen sich ihre Opfer in allen Gruppen der Gesellschaft, auch aus intakten Familienverhältnissen.
  • Der Täter baut gezielt eine Bindung zum Opfer auf und vermittelt ihm ein Zugehörigkeitsgefühl.
  • Oft ist es für die Betroffene die erste große Liebe und die erste Beziehung überhaupt. Damit verbundene Unsicherheiten macht sich der Täter gezielt zunutze.
Quelle:

Bundeskriminalamt (BKA) 2022 : Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2021.

Cybergrooming

Cybergrooming meint die gezielte Manipulation von Minderjährigen (Kinder unter 14 Jahren) durch Erwachsene im Internet mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung. Auch sogenannte “Loverboys” machen sich das Internet auf diese Weise zu nutze. Dabei suchen sich die Täter ihre Opfer auf beliebten Plattformen wie Tik Tok, Snapchat oder in Videospielen wie Fortnite oder Minecraft. Dort verwickeln die Täter Minderjährige und Jugendliche in Gespräche und drängen die Betroffenen, Bilder und Videos von sich zu schicken und Treffen zu verabreden.

Laut Ergebnissen einer repräsentativen Befragung von Kindern und Jugendlichen beauftragt durch die Landesanstalt für Medien NRW*, wurden fast ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen (24 %) im Internet von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert.

  • Jedes siebte Kind wurde aufgefordert, sich vor einer Webcam auszuziehen
  • Jedem sechsten Kind wurden dabei Gegenleistungen versprochen, wenn sie Bilder oder Videos von sich verschicken.
  • Etwa 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen haben ungewollt Nacktbilder zugesendet bekommen.

Die Plattformen, die dabei am meisten von Jugendlichen genutzt und die die Täter damit für die Anbahnung ausnutzen, sind laut einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW aus dem Jahr 2021:

  • Instagram
  • Snapchat
  • Tik Tok
  • Facebook oder Whatsapp.
  • Auch chatten sie in Online-Games, wie FIFA22, Minecraft oder GTA 5 Online.

Cybergrooming mit Kindern unter 14 Jahren ist eine Form von sexueller Gewalt und strafbar nach § 176a und § 176b StGB. Grundsätzlich ist jedoch jede Form von sexueller Belästigung im Internet strafbar. Weiter oben unter „Wie erkenne ich, dass er ein Loverboy ist?“ sind Warnsignale zu finden.

Quellen:

Landesanstalt für Medien NRW 2021: Kinder und Jugendliche als Opfer von Cybergrooming. Zentrale Ergebnisse der 1. Befragungswelle 2021.

 

2. Phase: Kontakt- und Beziehungsaufbau

  • Der Täter baut gezielt eine Bindung zur Betroffenen auf und vermittelt ihr ein Zugehörigkeitsgefühl/ das Gefühl, etwas besonderes zu sein, oft „Lovebombing“ (Komplimente, teure Geschenke).
  • Verbringt viel Zeit mit der Betroffenen, es kommt vor, dass er sich auch als „perfekter Freund und Schwiegersohn“ vorstellt.
  • Oft ist es für die Betroffene die erste große Liebe und die erste Beziehung überhaupt: Damit verbundene Unsicherheiten/ Geringes Selbstwertgefühl/ persönliche Krisen macht sich der „Loverboy“ gezielt zunutze.

 

3. Phase: Emotionale Abhängigkeit

  • Verlangt sexuelle Kontakte mit ihm und mit angeblichen Freunden, animiert zum Konsum von Alkohol und Drogen.
  • Oft aggressives Verhalten, teilweise gewalttätig mit anschließender Reuebekundung: Hoffnung auf Verbesserung der Beziehung (s. Trauma-Bindung).
  • Zunehmende soziale und finanzielle Isolation und Abhängigkeit: Die Betroffene wird zunehmend von ihrem sozialen Umfeld isoliert und macht sie so von ihm abhängig als einziger Vertrauter („Gemeinsam gegen den Rest der Welt“). Freund*innen und Familie gelten als Gegner der Beziehung.
  • Der „Loverboy“ gibt sich als „Beschützer“/ Zuflucht und Unterstützung bei Streit mit Eltern („Wenn du es zuhause nicht mehr aushältst, kann ich dir helfen“).

4. Phase: Sexuelle Ausbeutung

Sobald die Betroffene in den „Loverboy“ verliebt ist und gänzlich abhängig von ihm ist, beginnt die Ausbeutung.

  • Entweder er gibt vor, eine gemeinsame Zukunft aufbauen zu wollen und dafür Geld zu brauchen.
  • Oder er täuscht Schulden vor; gibt vor, selbst hilfsbedürftig zu sein oder sogar bedroht zu werden, wenn er das Geld nicht rechtzeitig auftreibt.
  • Oft verlangt er auch Geld zurück für die teuren Geschenke, die er ihr gemacht hat oder für Miete/Verpflegung: Der „Loverboy“ verlangt eine Gegenleistung, einen „Liebesbeweis“.
  • Durch psychischen Druck erzwingt er Schuldgefühle oder gibt der Betroffenen das Gefühl, sie sei die einzige, die ihm helfen kann, indem sie sich prostituiert.

Das sind einige von vielen möglichen Vorgehensweisen der Täter.

  • Betroffene werden massiv durch emotionale Kälte, Drohungen und/oder Gewalt unter Druck gesetzt und auf diese Weise zur Prostitution gezwungen.
  • Die Täter nutzen sensible Videos oder Fotos zur Erpressung und drohen mitunter, ihrer Familie Gewalt anzutun.
  • Der Täter hat dabei die gezielte Zerstörung des Selbstwerts der Betroffenen im Blick.
  • Betroffene werden von den Tätern häufiger gezwungen, illegale Drogen zu konsumieren und auch weiterzugeben bzw. zu verkaufen (Ausnutzung strafbarer Handlungen). Somit erhöht er seine Kontrolle.
  • Die Beziehung zwischen Täter und Opfer ist durch eine emotionale Abhängigkeit (Trauma-Bindung) geprägt, die starke Bindung macht es für die Betroffenen schwer, sich dem Zwang zu entziehen.
  • Die sexuelle Ausbeutung findet in Bordellen oder im privaten Bereich statt, oft auch online.

Viele der Betroffenen glauben, dass sie dem „Loverboy“ aus Liebe einen Gefallen tun und denken, dass sie sich freiwillig prostituieren. Oft erkennen sie sich deshalb nicht als Opfer einer schweren Straftat.